Kompetenzentwicklung von Führungskräften in Schulen…

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Kompetenzentwicklung von Führungskräften in Schulen…

Am vergangenen Freitag haben John Erpenbeck und ich einen Workshop mit Führungskräften im Schulbereich durchgeführt. Diese Veranstaltung unter dem Titel „Leadership in der Lehrerbildung“ wurde von der Stiftung der Deutschen Wirtschaft und der Robert Bosch Stiftung in Berlin durchgeführt.

Die Entwicklung von Führungskräften im Schulbereich weist einige Besonderheiten auf, die einem Aufbau von Führungskompetenz eher entgegenstehen. In der Diskussion und in Einzelgesprächen wurden folgende Aspekte deutlich.

Es gibt in der Praxis vor allem zwei Wege, um Schulleiter zu werden:

  • Als stellvertretender Schulleiter entwickelt man viele Jahre lang Stundenpläne für die jeweilige Schule. Beherrscht man dann die Programme zur Stundenplangestaltung perfekt, steht häufig der Weg zum Schulleiter offen. Das Problem ist, dass die Kompetenz eines Entwicklers von Stundenplänen nahezu nichts mit der erforderlichen Kompetenz eines Schulleiters zu tun hat, bei dem vor allem Personalführung und didaktisch-methodische Orientierung gefordert sind.
  • Man verlässt die Schule und nimmt es auf sich, einige Jahre in der Kultusbürokratie als Referent Verwaltungsarbeit zu machen. Wenn man sich dann weit genug von der Schulpraxis und der pädagogischen Arbeit entfernt hat, hat man beste Chancen, in der letzten Arbeitsphase, quasi als „Belohnung“, Schulleiter zu werden.

Die Entwicklung von Führungskräften im Schulbereich differiert in den einzelnen Bundesländern. Im Regelfall gibt es eine Führungsakademie, häufig unter anderen Bezeichnungen, in der die kommenden Schulleiter, nicht selten zusammen mit zukünftigen Führungskräften aus anderen Behörden, über Monate in einer unendlichen Zahl von Seminaren auf ihre neue Aufgabe vorbereitet werden. Dabei fällt auf, dass juristische Themen eine zentrale Rolle spielen.

Wir haben schon vielfach darüber diskutiert, dass die tradierten Lernsysteme, insbesondere in Schulen und Hochschulen, den Anforderungen der heutigen Lebenswelt mit Web 2.0, Social Business und Enterprise 2.0 in keiner Weise entsprechen. In den Schulen kommt hinzu, dass die Strukturen innovative Ansätze extrem erschweren. So haben wir das Problem diskutiert, dass Schulleiter im Regelfall keinen Vorgesetzten haben, mit dem sie sinnvoll ein Entwicklungsgespräch auf Basis einer Kompetenzmessung durchführen könnten. Die Vorgesetzen sind Bürokraten in Oberschulämtern oder in Ministerien, die sehr weit weg von der täglichen Schularbeit sind.

Warum haben wir immer noch 45-Minuten Unterrichtsstunden, die jede größere pädagogische Innovation verhindern, und unzählige Einzelfächer anstatt herausfordernde Projekte? Warum dominiert immer noch das „Bullimie-Lernen“, obwohl jeder vernünftige Mensch weiß, dass es vergeudete Energie ist?. Weshalb spielen die aktuellen Entwicklungen in Gesellschaft und Wirtschaft kaum eine Rolle? Warum werden soziale Medien nicht integriert? Weshalb dominiert immer noch die „Lehre“, anstatt Lernrahmen für selbstorganisiertes Lernen zu schaffen? Weshalb geben die überwiegend juristisch ausgebildeten Bürokraten in den Ministerien die Strukturen für die Schulen vor?….

Diese Fragen werden unendlich oft gestellt und meist mit Hinweis auf die Rahmenbedingungen (z.B. Föderalismus) und Strukturen abgewimmelt. So wurde uns berichtet, dass die Mitarbeiter der Kultusministerkonferenz fast ausschließlich Juristen sind. Ich dachte in meiner Naivität immer, dass es dort primär um pädagogische Fragen geht.

Wenn man wirklich erreichen will, dass sich die Schulen den aktuellen Herausforderungen aktiv stellen, dann muss vor allem auch die Aus- und Weiterbildung der Schulleiter radikal verändert werden. Wir haben in unserem Workshop vorgeschlagen, die nahezu wirkungslosen Seminare in Führungsakademien mit durchschnittlich 6 – 8 % Lerneffizienz abzuschaffen und die Rolle (möglichst auch die Bezeichnung) der heutigen Akademie radikal zu ändern.

Die Führungsakademien müssen sich davon lösen, primär als Seminaranbieter zu Führungskräften zu handeln. Vielmehr sollten, besser müssen, sie folgende Aufgaben übernehmen:

  • Partner der Schulleiter im Führungsprozess: Die Akademien bieten den Schulleitern einen Ermöglichungsrahmen für ihre eigene Kompetenzentwicklung als Führungskraft, für die Planung der eigenen Lernprozesse, für die notwendigen Fachinhalte, für die Kommunikations- und Dokumentationssysteme, für die Feedbacksysteme, für die Erarbeitung didaktisch-methodischer Konzeptionen im Netz(-werk) und für den Austausch und Aufbau von Erfahrungswissen in Communities of Practice der Schulleiter….. Dies bedeutet, dass die heutige Lehre durch eine Social Workplace Learning ersetzt wird, in dem die Führungskompetenz in der Führungspraxis in der Schule und im Austausch mit Kollegen aufgebaut und laufend weiter entwickelt wird.
  • Lernsystementwickler: Entwicklung von Kompetenzmodellen und –messsystemen für Schulleiter, laufende Optimierung der Lernkonzeptionen und –systeme in Praxisprojekten mit den Schulleitern und Lehrern, laufende Optimierung der Lern-Infrastruktur…
  • Ermöglichung individueller Kompetenzentwicklungsprozesse der Führungskräfte: Laufendes Veränderungsmanagement, kompetenzorientiertes Wissensmanagement, grundlegende Steuerung der individuellen, selbstorganisierten Kompetenzentwicklungsprozesse… Erst wenn die Schulleiter selbst innovative und kompetenzorientierte Lernsysteme als Lerner selbst erfahren, werden sie in der Lage sein, in ihren Schulen entsprechende Prozesse zu initiieren („Doppel-Deckerprinzip“).
  • Lernbegleitung: Coaching und Mentoring der individuellen Lernprozesse.

Es ist offensichtlich, dass dieses Profil nicht nur veränderte Strukturen und Prozesse im Schulbereich, sondern auch andere Rollen und Kompetenzen in den „Führungsakademien“ erfordert. Deshalb sind hierfür politische Entscheidungen zwingend notwendig.

Die Frage ist, wie schlecht muss es unserem Schulsystem noch gehen, damit dies stattfindet?

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