Kommunikation von Werten?

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Kommunikation von Werten?

Die Verinnerlichung von Werten ist der Schlüsselprozess jeder Wertaneignung und damit jedes Kompetenzlernens. Werte können aber nicht gelehrt oder instruktional vermittelt werden. Die meisten Unternehmen arbeiten heute trotzdem mit  einem vom Vorstand vorgegebenen  Wertekanon, den sie gerne in ihren Hochglanzbroschüren und auf ihren Homepages vermitteln. Diese Werte sind ausschließlich in der oberen Etage der normativen Leitlinien, Visionen und Grundsätze angesiedelt. Sie erscheinen als etwas Hehres, Entrücktes, aber auch schnell Veränderbares. Die regelmäßigen Appelle an die Mitarbeiter und Führungskräfte, diese Werte zu „leben“, entlarven die praktische Wirkung dieser schönen Formulierungen sehr treffend. Bei der Entwicklung von kompetenzorientierten Lernsystemen stellt sich damit aber die Frage, welche Rolle die Wertkommunikation zur Kompetenzentwicklung beitragen kann.

Jede reale Kommunikation, von der rein fachlichen in Schriftform einmal abgesehen, ist auch Wertkommunikation – freilich mit sehr unterschiedlichen Wissens- und Wertanteilen. Sie ist damit stets auch Kompetenzkommunikation. Diese Ausprägung der Kommunikation  kann man sich leicht verdeutlichen, indem man das Kommunikationsquadrat des Friedemann Schulz von Thun mit den Grundkompetenzen in Beziehung setzt.[1] Auf der Sachebene steht die fachlich-methodische Kompetenz im Vordergrund, die Appellebene wird durch aktiviätsbezogene Kompetenzen bestimmt, die Beziehungsseite erfordert die sozial-kommunikative Kompetenz und die Seite der Selbstkundgabe wird durch personale Kompetenzen geprägt. Es ist damit unschwer zu sehen, dass die kommunizierende  Person also in ganz unterschiedlichem Maße ihre vier Grundkompetenzen in Form von Kompetenzbündeln kommuniziert.

Wertkommunikation und damit Kompetenzentwicklung kann u.a.  durch folgende Mittel ermöglicht  werden:

  • durch sprachliche Mittel:

o   Werturteile und andere sprachliche Mittel, z.B. wertbeladene Ausdrücke, Satire, Gleichnisse…

o   durch den emotional-expressiven Charakter der Sprache

o   durch außersprachliche Mittel des Sprechverhaltens, wie Tonfall, Sprechtempo, Sprechrythmen….

Bei sprachlichen Äußerungen, vor allem in der direkten Kommunikation, können damit Emotionen ausgelöst werden. Diese Hypothese befindet sich in Übereinstimmung mit der psychologischen Anschauung, dass Wertungen die Grundlage für das Zustandekommen von Emotionen bilden.“ [2]

  • durch Mittel nichtsprachlicher Kommunikation:

o   durch Körperausdruck, z.B. Mimik, Gestik, Körperberührung….
o   durch Verwendung symbolhaft wertungstragender Gegenstände oder gegenständlicher Zeremonien, wie Kleidung, Kosmetik,  Haartracht, Symbolgeschenke….

Eine wertbeladene Kommunikation ist beispielsweise dadurch möglich, dass ein stark emotional geprägte Wortwechsel mit hohen Anteilen nichtsprachlicher Kommunikation mimischer, gestischer, körperbetonter Art und Symbolisierung der zeitweiligen Führungsrollen durch „Rangabzeichen erfolgt.

Im Kreislauf der Kompetenzentwicklung sehen wir die Wertkommunikation sowohl als ein Instrument zur Vorbereitung auf die Kompetenzentwicklung in realen Herausforderungen als auch zur Reflexion über eigene Erfahrungen und das Erfahrungswissen von Entwicklungspartnern:

  • In der Qualifizierungsphase:

o   Die Lerner analysieren in einem gemeinsamen Prozess die formulierten „Werte“ der Unternehmung im Vergleich zu den Werten, die tatsächlich ihre eigenen Entscheidungen und Handlungsweisen bestimmen.

o   Auf dieser Basis bewerten sie die Abweichungen, die sie feststellen können, in Hinblick auf die strategischen Ziele der Unternehmung.

o   Daraus können wiederum individuelle oder teamorientierte Ziele für den Prozess der Wertentwicklung im Rahmen der kommenden Praxisprojekte oder am Arbeitsplatz abgeleitet werden.

  • In der Phase der Wertinteriorisation:

o   Die Lerner reflektieren ihre Entscheidungen und Handlungen in Projekten oder am Arbeitsplatz unter dem Aspekt der Werte.

o   Sie diskutieren ihre Eindrücke sowie die Rückmeldungen ihrer Lernpartner in der Community und Practice.

o   Im Rahmen ihrer individuellen Kompetenzziele bilden sie verbindliche Vorsätze für die nächste Kompetenzentwicklungsphase.

In innovativen Lernsystemen stellt sich die Frage, ob im Netz Werte als Kompetenzkerne produziert, reproduziert, kommuniziert und interiorisiert werden können. Konkret, welche Teile von E-Portfolios, Blogs, Wikis, Podcasts oder sonstiger Social Software das Potential besitzen, Emotionen und Motivationen des „Senders“ zu transportieren und, ebenso wichtig, beim „Empfänger“ eigene Emotionen und Motivationen auszulösen.

Davon hängt ab, welche Wertkommunikationsmittel benutzt werden können:

  • differenzierte sprachliche Mittel,
  • Werthaltungen ausdrückende Symbole: Smilies sind die einfachste und unschuldigste Form einer solchen Wertkommunikation,
  • durch raum–zeitliche Gestaltungsformen: z.B. Bildseiten und Selbstdarstellungen,
  • durch Bräuche und Minitraditionen: z.B. in Kommunikationsräumen bei Gruß- und Verabschiedungszeremonien,
  • durch Nutzung von Netzautorität, von Identifikation mit und Nachahmung von Alpha-Personen …

Zentral ist und bleibt bei der Wertkommunikation die Frage, ob sie dazu beiträgt, eine emotionale Labilisierung, und damit Kompetenzentwicklung, auszulösen oder zumindest zu fördern. Ist dies zu verneinen, hilft die bestgemeinte, mit großem Aufwand ins Netz gebrachte Methode überhaupt nichts. Nicht jede emotionale Labilisierung ist schon Kompetenzentwicklung, aber es gibt keine intendierte Kompetenzentwicklung ohne emotionale Labilisierung.

Die Schlussfolgerung für ein Kompetenzlernen im Netz ist ebenso einfach wie fundamental. Nur ein Lernarrangement, das echte Entscheidungssituationen bieten, kognitive Dissonanzen setzen und emotionale Labilisierungen erzeugen kann, wird zu einem solchen Kompetenzlernen beitragen. [3] Und das – so die aktuelle Pointe – ist mit klassischer E-Learning-Software kaum, mit solcher der interaktiven Software des Web 2.0 vorzüglich möglich. Kurz: Social Software ist Kompetenzlernsoftware.

 

[1] Schulz von Thun, F. (2004)

[2] vgl. Ludwig, K.-D. (1976); Winko, S. (1991)

[3] Draschoff, S. (2000)

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