Das Geschäft mit den Massen-MBA – Fernlernen quo vadis?
Das Geschäft mit den Massen-MBA – Fernlernen quo vadis?
Die Stiftung Warentest hat die Beratung von elf deutschen Hochschulen mit MBA-Fernstudiengängen mit einem erschreckend schlechten Ergebnis getestet. Dabei ist die Beratung nicht einmal der Kern des Problems. Die didaktisch-methodische Konzeption der meisten Fernstudiengänge in Deutschland wird den Anforderungen der Teilnehmer nicht im Mindestens gerecht, es sei denn, es geht den Teilnehmern nur um das Abschlusszertifikat.
Schon vor zwei Jahren hat die Stiftung Warentest Fernstudienangebote der größten Anbieter getestet. Dabei wurde deutlich, dass alle Fernstudienanbieter, die getestet wurden, nach wie vor mit Studienbriefen und Einsendeaufgaben, die häufig noch per Post versandt werden, arbeiten. Nach mehreren Wochen erhalten die Lerner dann eine Rückmeldung, häufig in handschriftlicher Form. Damit die Lerner jederzeit einsteigen können, was für das Marketing vorteilhaft ist, verzichten die Anbieter auf Einführungsveranstaltungen, die dazu beitragen würden, die selbstgesteuerten Lernprozesse zu optimieren. Deshalb kommen Konzepte der Lernbegleitung, der Lernpartnerschaften oder der Kommunikation im Netz kaum zum Tragen. Zwar haben die meisten Anbieter zwischenzeitlich eine Online-Plattform, die aber im Regelfall nicht in das didaktisch-methodische Konzept eingebunden ist. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man dort kaum Aktivitäten findet oder aber den Austausch von Kochrezepten beobachten kann. Man kann den Eindruck gewinnen, als ob sich in den letzten Jahrzehnten nichts im beruflichen Lernen geändert hat.
Dieser Markt wird vor allem durch die Klett Verlagsgruppe beherrscht, zu der u.a. die Euro-FH, die Wilhelm-Büchner-Fernhochschule, die Fernakademie, die sgd Studiengemeinschaft Darmstadt , HAF oder ILS gehören. Wen wundert es, dass alle großen Anbieter im Fernstudienmarkt die Meinung vertreten, dass sich das oben beschriebene didaktisch-methodische „Konzept“ bewährt habe und deshalb nicht geändert werden muss. Schließlich sind die Studienbriefe produziert, der Änderungsbedarf hält sich bei den starren Curricula in sehr engen Grenzen.
Diese starren, kartellähnlichen Strukturen werden noch die ZFU – Zentralstelle für Fernstudienunterricht – zementiert, die mit den Fernstudienanbietern ein erprobtes Genehmigungsverfahren routiniert durchzieht. Diese staatliche Genehmigungsstelle wurde in den Siebzigerjahren eingerichtet, als man glaubte, den unmündigen Bürger vor allem und jedem schützen zu müssen. Warum der Gesetzgeber sich dieses Fossil aus einer vergangenen Zeit weiter leistet, obwohl wir heute ganz andere Möglichkeiten der Bewertung von Anbietern, z.B. im Netz, haben, ist mir ein Rätsel. Man kann nur hoffen, dass die ZFU bald abgeschafft wird, um endlich innovativen Anbietern in diesem Markt keine Steine mehr in den Weg zu legen.
Rolf Arnold, der das DISC – Distance and Independent Study Center – ,ein innovativer Fernstudienanbieter an der TU Kaiserslautern leitet, prognostiziert, dass sich die Bildungsangebote durchsetzen werden, die ihren Lernern sowohl Angebote im Bereich des Distance-Learning, unter Nutzung von E-Learning, als auch des Präsenzlernens anbieten werden. Erst diese Blended Learning Arrangements werden ein Lifelong-Learning ermöglichen. Das Vorbereitungslernen, das die meisten Fernstudienanbieter praktizieren, hat sich nach Arnold als vorherrschendes Konzept erschöpft. Es kommt vielmehr darauf an, Kompetenzen dann zu entwickeln, wenn sie benötigt werden. Die Fähigkeit zur Selbstführung und zum Selbstlernen steht dabei im Vordergrund.
Folgt man diesen Anforderungen, dann werden bedarfsgerechte Fernstudienangebote, die nicht nur wegen der Zertifikate absolviert werden u.a. folgende Merkmale aufweisen:
- Kompetenzorientierung: Die Lernprozesse finden im Rahmen von herausfordernden Praxisprojekten statt, die in einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt der Teilnehmer (Social Learning) selbstorganisiert mit Unterstützung eines professionellen Lernbegleiters bearbeitet werden. Das Abschlusszertifikat basiert auf den Projektergebnissen, nicht mehr auf dem auswendig gelernten Wissen.
- Blended Learning Struktur: In einem Kickoff werden die Voraussetzungen für effiziente, selbstgesteuerte Lernprozesse geschaffen. Es werden die jeweiligen Praxisprojekte der Lerner vorgestellt, Lernpartnerschaften und –gruppen gebildet, Spielregeln (z.B. Lerntagebücher, Lernbegleiter, Jour fixe der Lernpartner …) definiert und verbindliche Vorsätze (Meilensteine) gebildet. Das erforderliche Fachwissen und die notwendigen Übungen zur Qualifizierung werden „on-demand“ in kleinen Lerneinheiten zur Verfügung gestellt (Micro-Learning in Verbindung mit MobiIe Learning). In regelmäßigen Workshops werden offene Fragen aus den Praxisprojekten mit Experten bearbeitet.
- Social Learning (Lernen im Netz): Die Teilnehmer tauschen ihr Erfahrungswissen in Communities of Practice miteinander aus und entwickeln es gemeinsam weiter (kompetenzorientiertes Wissensmanagement). Offene Probleme aus den Praxisprojekten werden zunächst von den Teilnehmern selbst im Rahmen von Lernpartnerschaften, Lerngruppen oder der kollegialen Beratung gelöst. Der Lernbegleiter übernimmt die zunehmen die Rolle des E-Coaches.
Ich kann gut verstehen, das die Teilnehmer die aktuellen Fernstudienangebote nutzen, weil sie dieses „Bullimie-Lernen“ seit Jahrzehnten kennen und hierfür ihre Lerntechniken entwickelt haben. Dies ist aber ein sehr kurzfristiges Denken. Auch die Unternehmen haben davon überhaupt keinen Nutzen. Vielmehr benötigen sie Mitarbeiter, die bedarfsgerechte Kompetenzen aufgebaut haben.
Wann wird ein großer Bildungsanbieter endlich in diese Lücke stoßen? Die Konzepte sind da, die Zeit ist reif….