Äpfel und Birnen vergleichen, oder das Verschwinden einer angemessenen Kompetenzdiskussion
12 Oktober 2014 2014-10-12 16:10Äpfel und Birnen vergleichen, oder das Verschwinden einer angemessenen Kompetenzdiskussion
Äpfel und Birnen vergleichen, oder das Verschwinden einer angemessenen Kompetenzdiskussion
Jochen Robes hat in seinem Weiterbildungsblog vom 12. Oktober 2014 auf einen Gastkommentar des Wiener Philosophie-Professors Konrad Paul Liessmann in der NZZ mit dem Titel „Das Verschwinden des Wissens“ verwiesen. Dort werden Exzesse und Stilblüten der Kompetenzorientierung in schweizer Lehrplänen mit bis zu 4.500 Kompetenzen dargestellt und bewertet. Auch in diesem Blog habe ich schon über die „kompetenten Säuglinge“ und die PISA-Pervertierung des Kompetenzbegriffes nachgedacht. Deshalb kann ich mit der inhaltlichen Kritik von Liessmann durchaus in weiten Bereichen mitgehen, empfinde aber seinen undifferenzierten Umgang mit dem Begriff Kompetenz als höchst fahrlässig.
Dieser Ansatz der „Kompetenzorientierung“, den Liessmann aufgreift, hat außer dem Wort kaum etwas mit dem Kompetenzbegriff zu tun, der sich aus der Kompetenzforschung von Erpenbeck, Heyse oder von Rosenstiel ableitet. Dies kann an folgenden Merkmalen dieses Ansatzes verdeutlicht werden:
Liessmann kritisiert zu Recht, dass in dem Maße, in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden werden, die an beliebigen Inhalten erworben werden können, die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozess konterkariert wird. Genau das Gegenteil findet aber in Kompetenzentwicklungsprozessen statt, die auf Emotionen aufbauen und die Verinnerlichung (Interiorisation) von Erfahrungen zu einem individuellen Wertesystem zum Ziel haben. Das was Liessmann bezogen auf die schweizer Lehrpläne kritisiert, dass die Schüler um die Faszination gebracht werden, die von einer Sache, einem Thema, einem Gegenstand oder einer Frage ausgehen kann, ist gerade der Kern des Kompetenzentwicklungsansatzes, den wir verfolgen. Was gibt es denn faszinierenderes im Lernen, als herausfordernde Problemstellungen selbstorganisiert und kreativ lösen zu können. Dann bleibt die „Selbstorganisation“ am Ende kein „Betrugsmanöver“, sondern wird zum Kern einer persönlichkeitsorientierten Bildung mit dem Ziel einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit. Der Paradigmenwechsel, zumindest in der betrieblichen Bildung, den wir gerade erleben, erfordert es, die Begriffe, die wir nutzen, klar zu definieren. Der Vergleich von Äpfel und Birnen führt uns nicht weiter.
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