Warum wehren sich gerade erfolgreiche Trainer gegen innovative Lernsysteme?
Warum wehren sich gerade erfolgreiche Trainer gegen innovative Lernsysteme?
Die Einführung von selbstgesteuerten und –organisierten Lernkonzeptionen, z.B. mit E-Learning, Blended Learning oder gar Social Software, stößt in Unternehmen, aber insbesondere bei Bildungsanbietern, häufig auf starken Widerstand. Dies liegt nach meiner Erfahrung weniger daran, dass die betroffenen Bildungsexperten die Sinnhaftigkeit innovativer Lernformen nicht sehen. Der Hauptgrund ist vielmehr, dass sie ihre lieb gewonnen Erfolgskonzepte aufgeben müssten, wenn sie sich auf diese neuen Lernwege einlassen würden. Hinzu kommt das Gefühl, eine „sichere“ Lernkonzeption durch eine risikobehaftete Lernlösung zu ersetzen.
Gerade erfolgreiche Trainer zeichnen sich dadurch aus, dass sie in ihren Seminaren und Workshops immer alle „Fäden“ in den Händen halten. Aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus können sie auch kritische Situationen im Regelfall souverän meistern. Blended Learning ist jedoch in erster Linie durch selbstgesteuertes Lernen gekennzeichnet. Die Lerner gestalten ihre Lernprozesse im Rahmen der vorgegebenen Lernziele und des Lernsystems eigenverantwortlich. Der Trainer kann deshalb diese Lernprozesse nur noch begleiten, d.h. als Tutor für Verbindlichkeit sorgen und flankieren. Wird der Ansatz über die Qualifikation hinaus in Richtung Kompetenzentwicklung erweitert organisieren die Lerner ihre Lernprozesse sogar selbst. Sie definieren ihre Kompetenzziele in Abstimmung mit ihrer Führungskraft selbst und gestalten ihren individuellen Lernprozess in Abstimmung mit ihren Lernpartnern. Gleichzeitig beginnen sie, eigenes Erfahrungswissen in die Lernprozesse einzubringen und im Netzwerk mit ihren Lernpartnern weiter zu entwickeln. Der Trainer, der alles im „Griff“ hatte, wird zum Coach, d.h. zum Entwicklungspartner für die Kompetenzziele der Lerner.
Die Lerner eignen sich ihr Wissen nun mittels E-Learning weitgehend selbstgesteuert an. Diese, für viele Trainer zentrale Rolle fällt weg. Dafür benötigt der Trainer nunmehr ein breites, praxisorientiertes Erfahrungswissen, das es ihm ermöglicht, die Rolle des Coaches tatsächlich auszufüllen.
Das Anforderungsprofil für den Trainer verändert sich, plakativ gesprochen, vom Wissensvermittler zum Entwicklungspartner (Coach) der Lerner. Diesem Profil werden sicherlich nicht alle der heutigen Trainer gerecht werden können. Gleichzeitig eröffnen sich für Trainer, die ihre Stärken eher im Coaching sehen, Möglichkeiten, um ihre Stärken zukünftig besser einsetzen zu können. Betriebliche Bildung wird weiterhin für Praxisexperten attraktiv, die Freude daran haben, ihr Erfahrungswissen im Rahmen von praxis- und projektorientierten Lernformen einzubringen.
Die didaktische und methodische Planung und Umsetzung der betrieblichen Lernmaßnahmen ändert sich grundlegend. Es wäre naiv zu glauben, dass wir die heutigen und zukünftigen Lernbegleiter durch flammende Vorträge für diese Veränderungsprozesse gewinnen können. Es kann auch nur Widerstand erzeugen, wenn dem Trainerteam fremde Lernkonzept von außen „aufgedrückt“ bekommen würde.
Es hat sich bewährt, die heutigen Trainer von Anfang an in den Veränderungsprozess einzubinden, indem sie zunächst innovative Lernsysteme zum Thema „Kompetenzorientiertes Blended Learning mit Social Software“ als Lerner selbst erleben und parallel ihr eigenes Praxisprojekt bearbeiten. Es bietet sich an, dass diese Bildungsexperten in Absprache mit ihrem Vorgesetzten oder im Team ein eigenes Seminarkonzept mit dem Ziel bearbeiten, ihr persönliches, innovatives Lernkonzept zu formulieren und anschließend umzusetzen. In diesem „Doppeldecker-Konzept“ reflektieren sie regelmäßig über ihre eigenen Erfahrungen als Lerner und bringen dieses Erfahrungswissen in ihre Konzeptionsentwicklung ein.
Um von Anfang an Sicherheit aufzubauen, tauschen die Trainer regelmäßig ihre Zwischenergebnisse über einen persönlichen Projektblog mit dem Team aus. Die Kollegen und ihr Coach, der diesen Prozess begleitet, geben ihnen laufend Feedback. Gleichzeitig lesen sie die Projekttagebücher der anderen Teilnehmer, bewerten deren Ansätze, geben ihnen Rückmeldung und nutzen deren Ideen und Lösungen als Anregungen für ihr eigenes Lernkonzept. In diesem Prozess entwickelt sich schrittweise auch ein gemeinsames Verständnis des Teams für innovatives Lernen, insbesondere wenn der Austausch von Erfahrungswissen in der Umsetzungsphase im Rahmen einer „Community of Practice“ fortgesetzt wird. Die Einführung innovativer Lernformen erfordert ein systematisches Veränderungsmanagement.