Mediendidaktik
Mediendidaktik
In den vergangenen Tagen habe ich mich mit der sehr interessanten und empfehlenswerten 3. Auflage der „Mediendidaktik“ von Michael Kerres, Professor für Mediendidaktik und Wissensmanagement an der Universität Duisburg-Essen, beschäftigt. Das Werk ist die komplett überarbeitete 3. Neuauflage des bisherigen Titels „Multimediale und telemediale Lernumgebungen. Konzeption und Entwicklung“. Kerres führt in dem Werk die früheren Überlegungen und Erkenntnisse aus der Arbeit im Learning Lab der Universität Duisburg-Essen zusammen. Dort werden mit Partnern aus Schule, Hochschule und Wirtschaft innovative Lösungen für das Lernen von Morgen konzipiert, entwickelt und evaluiert.
Das Lernen mit digitalen Medien hat heute vielfältige Ausprägungen, z.B. als E-Learning, Blended Learning oder Social Learning. Die Entwicklung geht dabei immer mehr dazu, lernförderliche Umwelten zu schaffen. Deshalb will Kerres in der 3. Auflage seines Standardwerkes seine gestaltungsorientierte Mediendidaktik weiter entwickeln. Das Ziel ist, neue Wege eines anderen und besseren Lernens zu ermöglichen, indem die Lernangebote die vielfältigen Möglichkeiten nutzen, um nachhaltig Lernerfolg zu erzielen. Das Werk ist als Lehrbuch konzipiert, das in die Grundlagen der Mediendidaktik einführt. Es soll in Lehrveranstaltungen pädagogischer und informatischer Studiengänge, in der Weiterbildung und im Selbststudium genutzt werden. Das Buch wendet sich an Lehrpersonen, aber auch an Personen, die Lernmedien und E-Learning-Produkte in Verlagen und Softwareunternehmen, in Bildungseinrichtungen und –abteilungen konzipieren, entwickeln und einführen.
Die „Mediendidaktik“ stellt den aktuellen Stand der Forschung zum Lernen mit Medien dar und beschreibt, wie bei der Konzeption und Entwicklung von Lernangeboten mit digitalen Medien vorgegangen werden kann. Kerres definiert Mediendidaktik als interdisziplinäres Fachgebiet in den Bildungswissenschaften, mit Bezügen zur Allgemeinen Pädagogik und Didaktik, zur Lern- und Medienpsychologie, zur Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie zur Informatik und Informationswissenschaft. Erfreulicherweise geht Kerres von einem gestaltungsorientierten Zugang der Mediendidaktik aus. Diese Disziplin will demnach zeigen, wie didaktisch begründete Lernangebote entwickelt werden können.
Gestaltungsorientierte Mediendidaktik beschäftigt sich mit der Frage, wie Potenziale von digitalen Medien für das Lernen und Lehren eingelöst werden können (Kerres, 1998). Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob ein mediengestütztes Lernangebot dazu beiträgt, ein Bildungsproblem mit einer anderen Qualität zu lösen bzw. ein Bildungsanliegen zu adressieren. Hierbei werden nicht bestimmte didaktisch-methodische Lernarrangements bevorzugt. Vielmehr werden im Prozess von Konzeption und Entwicklung pragmatische Lernlösungen gesucht. Bei der Konzeption mediengestützten Lernens sind dabei folgende didaktische Felder zu bearbeiten:
- Begründung und Funktion des Medieneinsatzes im Bildungskontext
- Analyse der Akteure, d.h. der Lerner, der Trainer und Tutoren sowie der Bildungsplaner
- Spezifikation von Zielen und Inhalten
- Auswahl der didaktischen Methoden
- Planung der Lernorganisation
In den insgesamt 16 Kapiteln behandelt Kerres zunächst die Grundlagen der Mediendidaktik, während er im zweiten Teil das Vorgehen bei der Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote erläutert. Dabei liegt der Fokus primär auf der Hochschulbildung. Nach einer Einleitung, die Ziele, Hintergründe und den Aufbau des Buches darstellt, führt der Autor in die grundlegenden Szenarien des „Lernens mit Medien“ ein und diskutiert Anforderungen an die Selbststeuerung, die sich beim Lernen mit Medien ergeben. Danach werden zentrale Fragestellungen und Methoden mediendidaktischer Forschung erläutert. Kerres untersucht und bewertet die Gründe, die für und gegen den Einsatz von Medien zum Lernen sprechen, um dann Medien zu definieren, ihre Rolle beim Lernen zu erklären und die Lernprozesse mit Medien zu untersuchen. Zentrale Befunde und Modelle lernpsychologischer Forschung zum Lernen mit Texten, Bildern und audiovisueller Medien runden diese Analyse ab. Ein eigenes Kapitel widmet sich den sozialpsychologischen Prozessen beim Lernen im Internet sowie bei der Entstehung sozialer Gruppen und Gemeinschaften im Internet.
Im zweiten Teil werden zunächst verschiedene Planungsmodelle vorgestellt und verglichen. Danach beschäftigt sich Kerres mit den einzelnen Aspekten der Lernplanung. Dazu gehören die Akteure, einschließlich der Lerner, der Ziele mit unterschiedlicher Reichweite, der didaktischen Methoden, der Lernorganisation, der technischen Implementation und der Innovation bzw. des notwendigen Veränderungsmanagements. Abgerundet wird das Werk durch einen Leitfaden, der Analyse- und Entscheidungsschritte zur systematischen Ableitung einer mediendidaktischen Konzeption auf Basis der Parameter des didaktischen Feldes vorgibt.
Die „Mediendidaktik“ von Kerres ist mit ihrer fundierten und umsetzungsorientierten Darstellung das deutschsprachige Standardwerk zu diesem Themenbereich. Der Autor stellt die Zusammenhänge in einer sehr gut verständlichen und ausgewogenen Form dar und vermittelt ein breites Bild des aktuellen Standes. Das Fachbuch ist in erster Linie als Grundlagenwerk für pädagogische und informatische Studiengänge konzipiert. Insbesondere im ersten Teil wird immer wieder deutlich, dass der Autor vor allem die Zielgruppe der Studierenden im Fokus hatte. „Motivierende Hinführungen“ wie „Herr Lauer will sich auf die Prüfung zum Segelschein vorbereiten…“, Fragen zu Weckung des Problembewusstseins, Zusammenfassungen in Form von Merksätzen und Übungsfragen verstärken diesen Eindruck.
Trotzdem ist das Werk in vielen Passagen sehr spannend geschrieben. Insbesondere die Querbezüge zu historischen Bezügen (z.B. Montessori-Pädagogik) als auch interdisziplinären Aspekten (z.B. Pädagogische Psychologie) vermitteln dem Leser ein fundiertes Bild der Mediendidaktik. Die Fülle von Modellen, Forschungsergebnissen und empirischen Erkenntnissen ist beeindruckend. So untersucht Kerres beispielsweise im Abschnitt multimediale Informationsverarbeitung die Frage, wie Bilder sowie gesprochene und geschriebene Texte von Lernern verarbeitet werden und welche Folgerungen sich daraus für die Medienentwicklung ergeben. Im Kapitel „Lernen in sozialen Gruppen“ führt der Autor den Leser in sehr anschaulicher Form die neue Lernwelt des sozialen Lernens mit digitalen Medien ein.
Im zweiten Teil führt Kerres diese Überlegungen in konkrete Handlungsanleitungen zur Planung, Entwicklung und Implementierung von innovativen Lernlösungen über. Dort finden auch die Gestalter von Lernkonzeptionen Orientierung und einen Fülle von Hinweisen und Erläuterungen bis hin zu einem umfangreichen Leitfaden. Dieser kann als Checkliste der praktischen Umsetzung eine klare Struktur geben. Auch hier geht Kerres auf aktuelle Entwicklungen ein und diskutiert beispielsweise die Frage, welche Lernplattformen im Zeitalter des Web 2.0 benötigt werden. Dabei diskutiert er insbesondere auch den Aspekt Sozialer Lernplattformen.
Auch wenn dieses Fachbuch in erster Linie für Studierende bzw. für Bildungsexperten in Hochschulen konzipiert ist, bietet es auch für die betriebliche Bildung wertvolle Hinweise und Handlungsanleitungen. Dies gilt zumindest für den Bereich der Wissensvermittlung und Qualifizierung, der die Lernziele der Hochschulen bestimmt. Der Ansatz der Kompetenzentwicklung im Sinne der Fähigkeit, Problemstellungen in der Praxis selbstorganisiert zu lösen, der in der betrieblichen Praxis immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird leider nur ganz kurz gestreift. Dies ist schade, weil Kerres mit seinem Kapitel „Soziales Lernen“ hierfür schon eine sehr gute Basis gelegt hat.