Generationsgerechtes Lernen?

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Generationsgerechtes Lernen?

Die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte wird sinken.

Angela Merkel

Kaum eine Entwicklung wird Deutschland in den kommenden Jahren so prägen wie der demografische Wandel. Jüngere Menschen müssen sich auf eine veränderte und längere Arbeitsbiografie einstellen, während ältere Menschen eine neue und verantwortlichere Rolle in Familie und Gesellschaft spielen werden.[1]

Die Lebenserwartung steigt, die Bevölkerung wird älter. Heute sind 70-Jährige biologisch und sozial „jünger“ als früher und vor 100 Jahren haben die meisten Zeitgenossen dieses Alter erst gar nicht erreicht. Die durchschnittlichen Kinderzahlen in Deutschland sind niedrig und stagnieren. Wir sind ein Zuwanderungsland und wir brauchen systematische Zuwanderung. Wie unser Leben verläuft, hängt auch vom Geburtsjahr ab. Jede Generation macht ihre eigenen historischen Erfahrungen – und wer heute geboren wird, hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 80 Jahren.[2] So lernen  wir heute wesentlich länger als unsere Vorfahren, aber häufig auch anders. Ein größerer Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung hat angesichts der wachsenden Bedeutung der digitalen Welt, beispielsweise durch die zunehmende Nutzung von Smartphones, Tablets oder Social Networks,  neue Herausforderungen für die Bildungssysteme zur Folge.

In Unternehmen treffen dabei Menschen mit sehr unterschiedlicher Mediennutzung im privaten Bereich und differenzierter Medienkompetenz aufeinander. Die Unterschiede der Gruppen zeigen sich vor allem im veränderten Kommunikationshandeln, z.B. mittels Mobiltelefon, E-Mail oder Blogs, die wachsende „Do-it-yourself-Kultur“ bei der Buchung von Flügen oder der Abwicklung von Bankgeschäften sowie der Auswahl an Medien und Kommunikationskanälen.

Auch wenn Generalisierungen von Altersgruppen im Einzelfall nicht stimmen müssen, helfen sie doch, die Gestalter von Lernsystemen zu sensibilisieren. Eine häufig genutzte Einteilung typischer Mitarbeiter ergibt sich aus folgender Übersicht:

Merkmale Baby Boomers    Generation X       (Millenials) Generation Y Generation C
Jahrgang 1955 – 1965 1965 – 1982 1980 – 2000 1990 – heute
Merkmale Optimistisch

Workaholics Ausgeprägtes Konkurrenz-verhalten

Unabhängig

Skeptisch

Materialistisch

“Null Bock”

Eigenbrötlerisch

Zuversichtlich

Entschlossen

Idealistisch (z.B. Umweltschutz, globale   Gerechtigkeit)

Connected: Weltweite   Vernetzung

Communication: Aktive   Mitwirkung  in Netzwerken (Facebook, Youtube..)

Content-centric: Pflege   und Selbstverwaltung  des Online Contents

Computerized:   mehr als   95 % mit eigenem PC; sehr mobil

Vorlieben Übernahme von Verantwortung

Arbeitsethik

Selbst- bewusstsein

Freiheits-   liebend

Multitasking

Work-Life-   Balance

Teamarbeit

Agieren im öffentlichen Raum

Eltern

Schnelle, vertrauens- würdige Verbindungen

Kollaboration im Netz

Selbstorganisation

Abneigung Faulheit

Alter

Bürokratie Rummel Trägheit

Negative Einstellung

Träumerei

Kulturelle Intoleranz

Tab. 1  Lerner Generationen[3]

Während die „Baby Boomers“ in den kommenden zwei Jahrzehnten nach und nach aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden werden, wird der Anteil der Generation C in den kommenden sieben Jahren in Europa, Nordamerika und in den BRIC-Staaten auf etwa 40 Prozent wachsen. Die Führungsebenen in den Unternehmen werden in den kommenden Jahren dagegen immer mehr durch Vertreter der Generationen X und Y geprägt sein.[4] Da die Führungskräfte in innovativen Lernsystemen eine zentrale Rolle als Entwicklungspartner ihrer Mitarbeiter (Coach) spielen, birgt diese Struktur erhebliches Konfliktpotenzial für die zukünftigen Lernsysteme.

Die Merkmale der einzelnen Jahrgänge können nach unserer Erfahrung  nur als Orientierung dienen, da es heute 50jährige gibt, die man nach ihrem Handeln durchaus der Generation C zurechnen kann, während 20jährige sich eher wie die typischen Vertreter der Generation X verhalten. Die Meinung, dass sich die Lerner in „digital natives“, die mit Neuen Medien aufgewachsen sind und „digital immigrants“, die den Umgang mit dieser neuen Umgebung wie eine Fremdsprache lernen müssen, aufteilen, trifft nach den vorliegenden Untersuchungen nicht zu.[5] Es wächst aber eine Generation von Lernern heran, die tagtäglich eine breite Palette an Medien, insbesondere in digitaler Ausprägung, nutzen. Haushalte in Deutschland, in denen Jugendliche aufwachsen, weisen bei Computern, Mobiltelefonen und Internetzugang heute eine Vollausstattung aus. Vier von fünf Jugendlichen haben einen eigenen Computer oder Laptop. Dank WLAN im Haushalt können 87 Prozent vom eigenen Zimmer aus ins Internet gehen. Ein eigenes Mobiltelefon ist seit Jahren Standard, inzwischen besitzt aber fast jeder zweite Jugendliche ein Smartphone. 79 Prozent der 12- bis 19-Jährigen nutzen zumindest mehrmals pro Woche soziale Netzwerke, insbesondere Facebook.[6]

Für die Planung von Lernsystemen ist nicht die Frage einer, meist relativ willkürlichen, Zuordnung zu einer „Generation“ wichtig. Vielmehr sehen wir die konkrete Mediennutzung einer Zielgruppe, insbesondere im digitalen Bereich, als relevant an. Bei der Analyse der Rahmenbedingungen betrieblicher Bildungssysteme sollte deshalb diesem Aspekt eine hohe Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Insbesondere die Jugendlichen der Generation C wachsen in zwei vollkommen gegensätzlichen Welten auf. Auf der einen Seite von Kindheit an die Welt des Web 2.0 mit hoher Selbstorganisation und Kommunikation im Netz, auf der anderen Seite eine Lernkultur, die oftmals noch durch Frontalunterricht bestimmt wird. Während Nachwuchskräfte in ihrer Freizeit, teilweise auch im beruflichen Leben, immer mehr in ihrer neuen Medienkultur groß werden, ignorieren die meisten Schulen und Hochschulen die beschriebenen Entwicklungen weitgehend. Insbesondere werden im Regelfall keine Kompetenzen zur selbst organisierten und eigen motivierten Nutzung des Internets für die eigene Bildung und damit für das spätere Berufsleben vermittelt.

Bildung entscheidet über den Lebensstandard des Einzelnen und den gesellschaftlichen Wohlstand. Nur mit einem Bildungssystem, das jeden erreicht und ein ganzes Leben lang begleitet, können wir den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen. In einem Land, in dem künftig viel weniger Menschen leben und arbeiten, muss Bildung für alle zugänglich sein. Doch in Deutschland sind die Chancen, Fähigkeiten, soziale Kompetenzen und Kreativität zu erlernen, immer noch ungleich verteilt. Stärker als in fast allen anderen hochentwickelten Staaten 
ist der Zugang zur Bildung von der sozialen Herkunft abhängig.[7] Auch dies stellt hohe Anforderungen an die betriebliche Bildung, die im Bedarfsfall diese Defizite auffangen muss.


[1] vgl. u.a. BMBF (2013): Dossier zum demographischen Wandel, abgerufen unter  http://demographie-netzwerk.de/start/aktuelles/detail/artikel/wissenschaftsjahr-2013-demographischer-wandel.html am 20. Mai 2013

[2] vgl. Leibniz-Gesellschaft (2013): Zukunft leben – die demographische Chance, abgerufen unter  http://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/veranstaltungen/zukunft-leben-die-demografische-chance/ am 21. Mai 2013

[3] in Anlehnung an Oblinger, D. G. und Oblinger, J. L. (Editors) 2007);  Christian Scholz (2012); Booz & Company

(2013), abgerufen unter  http://www.booz.com/media/file/Rise_Of_Generation_C.pdf am 12. Mai 2013

[4] vgl. Booz & Company (2013)

[5] vgl. Schulmeister, R. (2008)

[6] Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2012), S. 64 – 66

[7] Leibniz-Gesellschaft (2013)

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